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Ev. Kirche im Rheinland am Scheideweg

Sucht die Landessynode 2012 Einmütigkeit oder Kampf?

 

Von Hans-Jürgen Volk

 

Die Landessynode 2012 der
rheinischen Kirche, die ab dem 8. Januar in Bad Neuenahr tagt, hat eine große
Verantwortung. Mehr als ein Drittel aller Kreissynoden hat sich im Vorfeld
kritisch gegenüber zentralen Reformprojekten wie der Verwaltungsstrukturreform
oder den Vorstellungen zur Personalplanung geäußert und um stärkerer
Beteiligung der Basis gebeten. Vielfach wird ein Proponendum, also ein Vorlage
der Kirchenleitung, zu dem sich alle Presbyterien und Kreissynoden äußern
können, oder eine andere Form der Mitgestaltung eingefordert. Wenn aktiv auf
allen kirchlichen Ebenen um Einmütigkeit gerungen würde, könnte man sich auf
eine gemeinsame Schnittmenge verständigen: Der Vorsatz, den bestehenden
Personalmix der verschiedenen kirchlichen Berufsgruppen beizubehalten und nicht
etwa andere Berufszweige zugunsten des Pfarrdienstes zu kappen, dürfte auf
breiten Konsens stoßen. Ebenso besteht Einmütigkeit im Blick auf das Ziel einer
gut funktionierenden, kostengünstigen Verwaltung. Der Grundkonflikt besteht an
anderer Stelle - und hierbei geht es nur vordergründig um einen Dissens bei den
Methoden zur Zielerreichung. Die einen möchten die Reformziele weitestgehend
durch gesetzliche Regelungen absichern, was mit erheblichen Eingriffen in die
bestehenden Strukturen verbunden ist. Angestrebt wird Vergleichbarkeit,
Standardisierung und Abschied von der rheinischen Vielfalt. Verfassungsrechtlich
wird eine Stärkung des synodalen Elements angestrebt. Faktisch läuft es auf
eine Stärkung der Organe der Landeskirche hinaus zulasten von Presbyterien und
Kreissynoden, denen man durch eine immer detailreichere Rahmensetzung sogar den
stellenmäßigen Umfang des Küsterdienstes in der Dorfgemeinde vorschreiben
möchte. Die anderen kämpfen um den Erhalt der Vielfalt, die Ausdruck einer
basisorientierten Kirche ist. Sie setzen auf Motivation statt auf gesetzlichen
Zwang. Sie sind äußerst skeptisch gegenüber der nicht gerade von Demut
zeugenden Behauptung, die Organe der Landeskirche hätten auf Grund ihres
„besseren Überblicks“ das Recht, wesentliche Entscheidungen bis hinein in das
operative Geschäft der einzelnen Kirchengemeinde an sich zu ziehen. Die
Bbz-Affäre ist eine Bestätigung dieser Skepsis.

Es
geht um Einmütigkeit - und um die Identität der rheinischen Kirche

Für alle Leitungsebenen ist das
Bemühen um Einmütigkeit in der Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland
verankert (vgl. KO Art 27,2 für die Presbyterien, 106,2 für die Kreissynoden
oder 142,1 für die Landessynode). Versteht man den Begriff der Einmütigkeit
lediglich juristisch-formal, so wird er seiner geistlichen Dimension beraubt.
Das Bemühen um Einmütigkeit kann sich nicht darin erschöpfen, dass Beschlüsse
mit möglichst klaren Ergebnissen getroffen werden.

Im Gegenteil: ein Leitungsorgan,
das mehrfach mit großer Mehrheit Beschlüsse fasst, die dem Denken, Fühlen und
Glauben eines großen Teiles der kirchlichen Basis wiederspricht, verletzt den
Grundsatz der Einmütigkeit und delegitimiert damit die eigenen Beschlüsse. Dies
sollte jedenfalls in einer evangelischen Landeskirche gelten, die sich von
Barmen her definiert und die großen Wert auf das Priestertum aller Gläubigen
legt. Dass es Situationen gibt, wie in der Zeit des Kirchenkampfes zwischen
1933 und 1945, in denen Leitungsorgane bewusst das Bemühen um Einmütigkeit
aufgeben müssen, da gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse im Verbund mit
Stimmungen bei der Mehrheit der Menschen den Kern des Glauben gefährden, sei
unbenommen. Nur wird wohl niemand ernsthaft eine solche Situation für die
Durchsetzung der Kirchenreform in Anspruch nehmen wollen, die vielmehr ihrerseits
den aktuellen Herrschaftsverhältnisse entspricht und eine Anpassung an
politische Vorgaben darstellt.

Erstmals ist seit 2006 ist im
vergangenen Jahr vor allem im Rahmen der Regionalkonferenzen ein Dialog geführt
worden, der nicht nur Organe der Landeskirche umfasst. Kritische Positionen
wurden immerhin wahrgenommen. Der Grunddissens bleibt, trotz mancher
Modifikationen und Abschwächungen, die die Vorlagen an die Landessynode
enthalten (Vgl. Drucksache 13 „Personalplanung“ und Drucksache 19 „Verwaltungsstrukturreform“
unter http://www.ekir.de/www/ueber-uns/drucksachen-14760.php).
Vielfalt - auch strukturelle Vielfalt - ist Ausdruck einer basisorientierten
Kirche, in der Presbyterien und Kreissynoden einen großen eigenen
Gestaltungsspielraum haben. Diese Vielfalt war bis etwa 2006 prägend für die
Ev. Kirche im Rheinland, da hierin sehr überzeugend „Kirche der Freiheit“ war.
Will man davon Abstand nehmen, und der Vorsatz ist offenkundig, ist dies ohne
einen breit angelegten Dialog, der auf allen kirchlichen Ebenen durch das
Bemühen um Einmütigkeit geprägt ist, nicht zu haben. Die Landessynode 2012 hat
die Chance diesem Dialog im Eingehen auf die kritischen Voten zahlreicher
Kreissynoden strukturelle Form zu geben.

Problemkind
Verwaltungsstrukturreform

Es ist leider davon auszugehen,
dass führende Vertreter unserer Kirche alles daran setzen werden, dass statt
eines Dialogs als Ergebnis der Landessynode 2012 die Basis nötigende Fakten
stehen. Vor allem im Blick auf die Drucksache 19 „Verwaltungsstrukturreform“
wäre dies nicht akzeptabel.

Unter Punkt 2
der Beschlussvorlage heißt es: „Die
Landessynode bittet die Kirchenleitung, der Landessynode 2013 auf der Grundlage
der im Sollkonzept beschriebenen Vorschläge (Teil C) die gesetzliche Umsetzung
einer zukünftigen Verwaltungsstruktur der Evangelischen Kirche im Rheinland
vorzulegen.“ Beim „Sollkonzept“ handelt es sich um den Bericht der Fa. Kienbaum
zu einer zukünftigen Verwaltungsstruktur in der Ev. Kirche im Rheinland.
Beschließt die Landessynode diesen Passus, wird das Kienbaum-Papier als Orientierungsrahmen
verbindlich gemacht, trotz aller Relativierungen, die im Text der eigentlichen
Vorlage eher für Unschärfen sorgen. Das Kienbaum-Papier fordert drei Kriterien,
die eine zukünftige Verwaltungsstruktur erfüllen soll:

  • Ein
    Kirchenkreis - eine Verwaltung
  • Mindestpersonalausstattung
    von 15 Vollzeitstellen
  • Mindestgröße
    von 80.000 Gemeindegliedern pro Kirchenkreis, um die entsprechenden Fallzahlen
    zu gewährleisten.

Dass dieses Konzept bei seiner
Realisierung die Strukturen der rheinischen Kirche erheblich umpflügen und etwa
die Hälfte der Kirchenkreise in Fusionen nötigen würde, sorgte bereits im
vergangenen Jahr für erheblichen Widerstand. Dem versucht man zu begegnen,
indem man von den drei Kriterien des Kienbaum-Papiers zwei erfüllt sehen will,
um dadurch mehr Flexibilität zu erreichen. Eine Abweichung von der
Grundentscheidung „ein Kirchenkreis - eine Verwaltung“ ist allerdings nur unter
eng begrenzten Voraussetzungen mit Genehmigung der Kirchenleitung im
Einvernehmen mit dem Innerkirchlichen Ausschuss und dem Finanzausschuss der
Landeskirche möglich. Für kleinere Kirchenkreise wird es selbst bei einem
gemeinsamen Verwaltungsamt äußerst schwierig, ohne erhebliche Mehrkosten den
Vorgaben gerecht zu werden, auch wenn die Mindestpersonalausstattung unterschritten
werden kann.

Ähnlich wie bei der
NKF-Einführung wurde der Verwaltungsstrukturreform noch auf der Landessynode
2010 mit der Aussicht auf Kostensenkung begründet. Dass die neue
Finanzverwaltung zunächst einmal erhebliche Mehrkosten verursacht, hat sich
mittlerweile herumgesprochen. Eine ähnliche Entwicklung droht bei der
Verwaltungsstrukturreform. Auch hier weigerte man sich, eine Kostenschätzung
vorzunehmen mit dem Argument, dies sei angesichts der „rheinischen Vielfalt“
nicht machbar. Die Verwaltungsstrukturreform würde jedoch die Voraussetzungen
dafür schaffen, in Zukunft Kosten sinnvoll zu reduzieren. Auf die (Un)logik
dieser Argumentation geht Dr. Henning Theissen sehr treffend in einem neuen
Beitrag unter http://www.presbyteriumsdiskussion-ekir.de/
ein. Von dankenswerter Klarheit ist das Votum des landeskirchlichen
Finanzausschusses, der in der Begründung zur Beschlussvorlage wie folgt zitiert
wird: „Die Verwaltungsreform habe
nicht in erster Linie eine Kostensenkung zum Ziel sondern eine deutliche
Verbesserung der Qualität bei angemessenen Kosten.“

Eine Kostenersparnis bei einem Projekt wie der
Verwaltungsstrukturreform würde sich dann ergeben, wenn unter Ausblendung aller
anderen Aspekte durch die Schaffung wesentlich größerer Einheiten unterm Strich
Personalkosten eingespart würden. Da allerdings Kienbaum die Stärkung von
Arbeitsfeldern wie z.B. Bauwesen und Immobilienmanagement fordert, wäre selbst
bei einer äußerst konsequenten Umsetzung des Konzepts eher eine
Kostensteigerung wahrscheinlich. Dass das betriebswirtschaftliche Denken, das
dem Kienbaum-Papier zugrunde liegt, die gesellschaftlichen und ökologischen
Folgekosten solcher „Reformmaßnahmen“ konsequent ausblendet, sei nur am Rande
erwähnt.

Bitter nötig sind erhebliche Korrekturen, die nur ein von dem Bemühen
um Einmütigkeit getragener Dialog im Anschluss an die Landessynode 2012
gewährleisten kann. Im Rahmen eines solchen Dialogs wäre u.a. anzustreben:

  • Eine
    Kostensteigerung bei der Verwaltung zu verhindern und die Kostenentwicklung,
    die mit einer Verwaltungsstrukturreform verbunden sind, so transparent wie
    möglich zu gestalten - auch wenn es Mühe macht. Eine einseitige Stärkung der
    Verwaltung würde automatisch zu Lasten anderer kirchlicher Berufsgruppen gehen.
  • Funktionierende
    Strukturen, die wirtschaftlich sind, dürfen nicht in Frage gestellt werden.
    Defizite in der „Qualität“ nehmen wir auch in anderen Arbeitsfeldern hin, was
    angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen unabweisbar ist.
  • Mitarbeiterinnen
    und Mitarbeiter der Verwaltung sind Teil der kirchlichen Dienstgemeinschaft. Sie
    sind daher ähnlich wie Jugendreferenten oder Kirchenmusikerinnen im Rahmen
    eines Personalkonzepts zu behandeln, bei dem letztlich eine Kreissynode
    souverän einen angemessenen Umfang der Verwaltung entsprechend den
    Notwendigkeiten vor Ort beschließt.

Abschließend: jeder/m Landessynodalen sei die Lektüre von Paul
Kirchhof, das Gesetz der Hydra empfohlen - man muss ja nicht unbedingt seine
steuer- und sozialpolitischen Ansichten übernehmen. Kirchhof wird bestätigt
durch eine Meldung im Wirtschaftsteil der Frankfurter Rundschau vom 2. Januar
2012: „Die Verwaltungskosten im deutschen Gesundheitswesen sind offenbar
wesentlich höher als bisher angenommen. Einer Studie der Unternehmensberatung
A.T. Kearny zufolge entfielen im Vorjahr 23 % der Gesamtausgaben der
gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 176 Milliarden Euro auf die
Bürokratie. In der Industrie liege dieser Anteil bei nur 6,1% …“ Kostentreiber
sind u.a. so interessante Instrumente wie die Praxisgebühr oder die
vielfältigen Dokumentationspflichten, also Instrumente, mit denen man
eigentlich Kosten senken wollte. Nun denn!

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