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Artikel für Transparent 84 - 2007

 

Manfred Alberti

 

Der Weg der EKiR nach 2030: Erste Weichenstellungen

 

Die Landessynode 2007 hat erste deutliche Weichenstellungen vollzogen: In der Diskussion über die Gestalt der presbyterial-synodalen Ordnung beschloss sie als grundlegendes Kriterium für die Aufgabenverteilung zwischen den kirchlichen Ebenen, dass „kirchliche Aktivitäten, die im jeweils kleineren Bereich in grösserer gottesdienstlicher Nähe recht wahrgenommen werden können, nicht auf eine höhere Verfassungsebene verlagert werden sollen.“ Damit ist vordergründig vor allem die Gemeindeebene gestärkt. So ist ein Teil der in den Überlegungen der AG I geplanten Aushöhlung der Rechte der Presbyterien vom Tisch: Die Pfarrwahl bleibt de iure bei den Gemeinden und auch in Zukunft werden die Gemeindepfarrstellen bei den Gemeinden angesiedelt sein. Von einem Recht der Kreissynoden, Gemeinden zusammenzulegen oder neu zuzuschneiden, ist keine Rede mehr.

 

Allerdings erfährt diese vermeintliche Stärkung der Gemeinden sehr starke Einschränkungen:

- Um die Zahl der Pfarrstellen den schrumpfenden Gemeindegliederzahlen möglichst zeitnah anpassen zu können, hat die Landessynode im Bereich des Dienst- und Arbeitsrechtes die Autonomie der Gemeinden drastisch beschnitten. Geplant ist, dass jährlich nach einer Planungskonferenz der Superintendenten den Kirchenkreisen von der Kirchenleitung Soll-Stellen-Zahlen für die Pfarrstellen vorgegeben werden, aufgrund derer die Kreissynode ein Rahmenkonzept für die Zahl der Pfarrstellen und die Verteilung auf Gemeinde- und Funktionspfarrstellen beschliesst. Die Presbyterien müssen dann die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen an den berechneten Bedarf in einem festgelegten Zeitrahmen vornehmen. Der KSV kann Pfarrstelleninhabern zusätzliche (refinanzierte) Dienstaufträge zuweisen, den Dienstumfang verändern, den Pfarrstelleninhaber abordnen, einen Ruf in eine andere Pfarrstelle aussprechen oder gar eine Abberufung erwirken. „Falls Presbyterien die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen nicht vornehmen, trifft der Kreissynodalvorstand die notwendigen Entscheidungen.“(Beschluss 9 I 6). Wenn hier nicht die Selbstverantwortung der Gemeinden für ihre Pfarrstellen ganz unter die Räder kommen soll, ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen KSV und Gemeinden unabdingbar.

 

- Um die hohe Zahl der Warteständler abbauen zu können, bekommt die Kirchenleitung ab 1. Jan. 2008 für die nächsten fünf Jahre in jedem zweiten Besetzungsfall das Vorschlags- und Besetzungsrecht. Da aber nur noch die Pfarrstellen mit einer III im Pfarrstellenverzeichnis –d.h. drittnächste Besetzung durch die Kirchenleitung – von den Gemeinden selbst besetzt werden dürfen, werden die Gemeinden nicht die Hälfte, sondern nur noch ein Drittel aller Pfarrstellenbesetzungen selbst vornehmen können.

 

- Auch an einem anderen Punkt droht der Autonomie der Gemeinden Gefahr: Die Landessynode verlangt für die Kreissynoden das Recht, „für die Kirchengemeinden verbindliche Regelungen zu treffen, um die Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben gemäß Art. 1 der Kirchenordnung sicherzustellen.“ (Beschluss 13 I 2.2)

Einerseits ist ein solches Begehren nachvollziehbar: Wenn in den Gemeinden in grossem Umfang keine hauptamtlichen Kirchenmusiker und Jugendleiter mehr beschäftigt werden, dann muss die Kirchenkreisebene sicherstellen können, dass Grundzüge dieser Arbeit wenigstens im Kirchenkreis geleistet werden: z.B. zur Ausbildung und Unterstützung ehren- und nebenamtlicher Kräfte in den Gemeinden. Doch was machen die Gemeinden, die ihren Schwerpunkt auf Kirchenmusik gelegt haben und einen Kirchenmusiker beschäftigen, wenn sie in Zukunft zusätzlich für die hauptamtliche Kirchenmusikerstelle im Kirchenkreis bezahlen müssen? Droht hier der Abbau auch der letzten Kirchenmusiker- oder Jugendleiterstellen in den Gemeinden, wenn eine Kreissynode aufgrund der Lage in der Mehrzahl ihrer Gemeinden eine zentrale Aufgabenerfüllung für vordringlich ansieht? Bekommt so nicht die Kreissynode Macht über die Gestaltung der Arbeit in allen Gemeinden? Kaum eine Gemeinde hat soviel Mittel, sich an einem kreiskirchlichen Kirchenmusiker zu beteiligen und gleichzeitig einen eigenen A- oder B- Kirchenmusiker zu finanzieren. Ähnlich in der Kinder- und Jugendarbeit. Es ist abzusehen, dass dann aus dem Interesse der Mehrheit der Gemeinden eines Kirchenkreises heraus die Schwerpunkte einzelner Gemeinden immer mehr abgebaut werden. Die Kreissynode erhielte so auf einem Umweg das faktische Gestaltungsrecht für viele Bereiche der Gemeindearbeit. Die Vielfalt rheinischer Gemeindearbeit wäre bedroht und ein weiterer Stellenabbau vorprogrammiert. Wer Art. 1 der KO weit auslegt, fände hier auch die Möglichkeit, zu Lasten von Gemeindeämtern den verbindlichen Anschluss aller Gemeinden eines Kirchenkreises an ein zentrales Verwaltungsamt beschliessen zu lassen. Bislang war die Gestaltungsfreiheit der einzelnen Gemeinden für ihre Arbeit rechtlich geschützt, zukünftig hätte dann die Mehrheit in den Kreissynoden das Sagen. Die einzelne Gemeinde mit ihrer spezifischen Ausrichtung hätte keinerlei Schutz mehr gegenüber dieser Mehrheit.

 

Unstrittig ist, dass es dringend Möglichkeiten geben muss, in das Geschehen in einzelnen Gemeinden einzugreifen, wenn sie sich finanziell dem Abgrund nähern. Notfallmassnahmen wie ein „Haushaltssicherungsgesetz“ oder „Ersatzvornahmen“ werden benötigt, wenn ein Presbyterium nicht imstande ist, eine gesunde Basis der Gemeindefinanzen zu erhalten. Doch es muss sichergestellt werden, dass solche Eingriffsmöglichkeiten nur im wirklichen Notfall benutzt werden können. Hier hat die Landessynode sinnvollerweise darauf gedrängt, dass „die konstruktiven Möglichkeiten der Beratung und der Visitation…verstärkt zu nutzen“ sind. Dann soll die Kirchenleitung zur nächsten Landessynode Vorschläge vorlegen, wie die Vorschriften über die Aufsicht klarer gefasst werden können und wie zusätzliche Aufsichtsinstrumente wie „Anordnung“ und „Ersatzvornahme“ in die Kirchenordnung aufgenommen werden können.

 

Da die Definition eines „Notfalles“ immer auch starke subjektive Anteile enthalten wird, droht hier den Gemeinden eine weitere Gefahr: Wer beschliesst über den Notfall und über die Dringlichkeit von Ersatzvornahmen?

Am Beispiel: Der Haushaltsplan einer Gemeinde lässt sich nicht mehr ausgleichen: Die Stelle des Kirchenmusikers oder die Schliessung des Kindergarten stehen zur Diskussion. Eine Spendenaktion läuft erst langsam an. Das Presbyterium, dem der Kirchenmusiker angehört, ist gespalten und schiebt die Entscheidung auch in Hoffnung auf Spenden immer wieder hinaus. Wer soll jetzt entscheiden können, dass und wann hier die Ersatzvornahme einer Kündigung des Kirchenmusikers oder einer Schliessung des Kindergartens durchzuführen ist? Soll hier der KSV beschliessen dürfen, der selbst die finanzielle Verantwortung für den Kreiskantor trägt und dem ein Pfarrer aus der Nachbargemeinde mit einem nicht ausgelasteten Kindergarten angehört?

Solche starken Eingriffsrechte in die Autonomie und das Selbstgestaltungsrecht einer Gemeinde müssten bei der Kirchenleitung angesiedelt sein, denn nahezu immer in solchen Fällen dürften eigene Interessen des KSV oder einzelner Mitglieder eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Bekäme der KSV solche Rechte zugeordnet, würden riesigen neuen Konflikten in den Kirchenkreisen Tür und Tor geöffnet. Die Kirchenleitung dagegen ist normalerweise nicht persönlich betroffen, sie kann entscheiden zwischen den Stellungnahmen des Presbyteriums und des KSV. Der KSV darf nicht Richter sein in Angelegenheiten, in denen er und seine Mitglieder nahezu immer auch selbst Betroffene sind: getreu einer grundlegenden lateinischen Rechtsregel kann niemand zugleich Kläger und Richter sein: „nemo simul actor et iudex“.

 

Gespannt kann man darauf sein, wie die Kirchenleitung die ihr übertragene Aufgabe erfüllen wird, Kriterien zu erarbeiten, wie man den „Begriff der Leistungsfähigkeit von Kirchengemeinden“ genauer bestimmen kann. Hier könnte eine breite Debatte im Rheinland einer Verengung auf bestimmte Gemeindemuster entgegenwirken: Stärke liegt in der Vielfalt. Erfreulich ist dabei, dass die Landessynode den Vorschlag „Standards vorzulegen, die der Qualitätsverbesserung kirchlicher Arbeit dienen“ abgeändert hat in den Auftrag, „Vorschläge zur Qualitätsverbesserung kirchlicher Arbeit“ vorzulegen. Hier scheint das EKD-Papier „Kirche der Freiheit“ mit dem Prinzip des „good practice“ - Lernen von guten Erfahrungen - einen segensreichen Einfluss auf die rheinische Synode genommen zu haben: Qualität lässt sich kaum durch Druck von oben verbessern, aber gute und erfolgreiche Anregungen aus anderen Gemeinden und Arbeitsgebieten dürften in vielen Presbyterien und bei vielen Theologinnen und Theologen auf fruchtbaren Boden fallen. Erfolg strahlt aus. Nur müsste die Kirchenleitung dringend im Rheinland Strukturen schaffen, wie gute und erfolgreiche Beispiele aus der Gemeindearbeit schnell verbreitet werden, damit andere davon profitieren können: Eine Internetseite „good-practice-EKiR“ könnte z.B. eine sinnvolle Einrichtung sein.

 

Fatal wäre allerdings eine Definition von „Leistungsfähigkeit“, die von kleinen Gemeinden mit ein bis zwei Pfarrstellen nicht zu erfüllen ist. Mit einer erzwungenen Bildung grösserer Gemeinden würde die rheinische Kirche eine ihrer Stärken aufs Spiel setzen: Eine bunte Mischung unterschiedlichster Gemeinden zu haben, die auf Herausforderungen schnell und flexibel reagieren können.

 

Die Beschlüsse der Landessynode schränken die Autonomie der Gemeinden in erheblichem Maße ein. Für eine Notsituation mag man das hinnehmen können. Doch sind das Fundament unserer Landeskirche gut funktionierende Gemeinden mit vielen engagierten Ehrenamtlichen. Ehrenamtliche findet und bindet man aber nur dann, wenn sie auch weitgehende Verantwortung mittragen können. Der Abbau der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden bedroht so die Fundamente unserer kirchlichen Organisation mit ihrer presbyterial-synodalen Ordnung.

 

Wenn eine Stärkung des Verantwortungsbewusstseins der Gemeinden für die Gemeinsamkeit im Kirchenkreis, in der Landeskirche und darüber hinaus gelingt, wird die Landessynode hoffentlich bald wieder zu Beschlüssen zurückkehren, die eine wirkliche Stärkung der Gemeinden bedeuten.

 

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© Manfred Alberti

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